Religion und Glaube sind beim Weltenbau und der Erschaffung von Völkern und Zivilisationen ein ganz eigenes, weitläufiges Feld. Losgelöst aber von der Frage, woran die Figuren glauben und wie sie ihren Glauben ausdrücken, möchte ich einen Blick auf eine viel grundlegendere Entscheidung werfen, die ein Autor hier treffen muss: existieren die Götter tatsächlich?
So Gott will …
Ich wurde christlich-evangelisch getauft und erzogen. Bis kurz vor dem Abitur habe ich auch den Religionsunterricht in der Schule besucht, mich aber schließlich abgemeldet, als mir in einer Stunde tatsächlich klar wurde, was die Glaubensgrundsätze sind, und das ich mit ihnen einfach nicht einverstanden bin. Danach war ich lange Zeit Skeptikerin – ich war mir nicht sicher, ob Gott als solches existiert, nur, dass – wenn dem so wäre – ich nicht viel mit ihm zu tun haben will. Über die Jahre habe ich auch diese Zweifel hinter mir gelassen.
Was bedeutet diese Haltung aber für meine Arbeit als Autor?
Ich denke am deutlichsten spüre ich es, wenn ich Naimaer arbeite. Dort spielt Religion eine tragende Rolle in der Gesellschaft, die sich im Umbruch befindet. Und diese Veränderungen betreffen natürlich auch den Glauben. Bis jetzt habe ich noch nicht eindeutig heraus finden können, ob es die Götter der Naimaer tatsächlich gibt, oder ob ihr Glaube ein Konstrukt der Gesellschaft ist – ein Rahmen, von den Machthabern geschaffen und aufrecht erhalten, in dem sie die Struktur der Zivilisation und damit ihre Herrschaft sichern können.
Von Angesicht zu Angesicht
Diese Frage ist auch insoweit bedeutend, dass ich als Autor eine tatsächlich existierende Gottheit auch manifestieren möchte. Sei es durch einen Auftritt als handelnde Figur oder als eindeutig lenkende Macht im Hintergrund. Ich denke das ist für die Motivation der Protagonisten und auch Antagonisten, so wie für die Handlung entscheidend. Um bei Beispiel von Naimaer zu bleiben: der gesellschaftliche Umsturz, der bevor steht, würde einen Verlust oder auch eine Verschiebung des Glaubens bedeuten. Die Göttin, die die Naimaer verehren, ist rein von der Persönlichkeit her niemand, der das einfach hinnehmen würde. Sie wäre also gezwungen, zu handeln und würde somit zur aktiven Figur werden, mit der meine Protagonisten sich auseinander setzen müssen. Eine gewaltige Aufgabe, die andere Handlungen und Haltungen erfordert als der Kampf gegen reale, politische Machthaber.
Das Zentrum und der Umkreis
Aber nicht nur der konkrete Plot ist durch diese Fragestellung geprägt. Es ist auch eine Grundsatzentscheidung, was das Genre des Projektes betrifft und damit der Stereotypen und Regeln, die zu beachten sind. Sogar Sprache und Struktur des Werkes können beeinflusst werden.
Denn bringe ich als Autor Götter, das Schicksal, das Universum – höhere Mächte welcher Form auch immer – ins Spiel, wird die Handlung der Geschichte episch. Es geht um die Rettung der Grundfesten, auf denen Zivilisation und vielleicht ganze Welten aufgebaut sind. Und es geht im übertragenen Sinne natürlich auch um die Grundfesten meiner Figuren – ihr Glaube, ihre Seele stehen auf dem Spiel.
Sind die sogenannten Götter hingegen nur ein Werk und auch Werkzeug der Gesellschaft, so geht der epische Aspekt verloren. Politik und Vernunft rücken ins Zentrum des Plots und die Motive der Protagonisten werden zumeist eher weltlich sein.