#8 | Die Ruine

Im Zorn erschlug der Erste den Zweiten und tausende folgten, auf dass die Welt in Blut getränkt sei. Dem Zweiten errichtete man ein Mahnmal und begrub darin die Waffe des Ersten, bis der kommen wird, der das Verderben trägt das die Welt heilt.


 
***

 

Marjella lenkte ihr Pferd neben den Karren, den Furgam ein kleines Stück abseits der Straße angehalten hatte. Er kaute noch immer seinen Tabak und lächelte Marjella munter zu.

“Das wäre geschafft.” Der alte Haudegen spuckte zufrieden aus.

Marjella nickte und sah zum Fluss zurück, den sie soeben an einer Furt durchquert hatten. Es wurde Abend und von den Bergen wehte ein kühler Wind herunter. Trotzdem hatte Marjella ihre Männer ins Wasser geschickt, damit der unsäglich Gestank ein Ende hatte. Sie selbst lechzte danach ebenfalls ein Bad zu nehmen. Ein ausführliches und gründliches, am liebsten mit heißem Wasser voller Öle und Essenzen. Aber sie musste mit dem Vorlieb nehmen, was es gab. Und sie musste zunächst etwas Wichtiges erledigen.

Sie wandte sich an Furgam: “Hattest du nicht gesagt, es gäbe ein Brücke?”

Er nickte. “Kleine Änderung der Route. Ich dachte wir nehmen eine Abkürzung, um Fairan at Darnen so schnell als möglich hinter uns zu lassen. In unserem und vor allem deinem besten Interesse.”

Arjalle lächelte. “Danke für die Fürsorge. Du hättest aber trotzdem mit mir sprechen können, oder zumindest warten.” Sie sah zum Karren, dessen Seiten noch tropften und ihr Blick wurde düster. “Wir hätten das vorher erledigen sollen. Ich hoffe für dich, dass unserer Fracht nichts passiert ist.”

Furgam spuckte aus und rieb sich die Nase, deren Farbe inzwischen von einem tiefen Rot in ein grünlich gerändertes Lila überging. “Zumindest ist er jetzt sauber.“

Marjella schnaubte. “Hör auf zu reden und hilf mir. Das Bannblatt wird nicht mehr lange vorhalten.”

Furgam ging um den Karren herum und die beiden Kopfgeldjäger lösten die Seile, mit denen Vargas unter die Ladefläche gebunden worden war. Er fiel wie ein Sack zu Boden.

“Mist”, murmelte Marjella und der Zweifel kroch ihr in den Nacken.

Ich hätte diesen verdammten Auftrag nicht annehmen dürfen. Aber wie hätte ich dem reichsten Mann von Morkaria etwas abschlagen sollen?

Marjella und Furgam packten jeweils ein Bein des ohnmächtigen Alb und zerrten ihn unter dem Karren hervor. Sand und Kies knirschten, zerrissen das Hemd, von dem sowieso nur noch Fetzen übrig gewesen waren. Marjella stand da und starrte auf Vargas hinab, auf das Mal auf seinem Rücken.

“Seid Ihr Euch sicher?”

Usmar hat nur gelacht und ich hätte ihm am liebsten die Faust ins Gesicht gerammt.

“Glaubst du, ich würde so viel Geld in die Hand nehmen, wenn ich mir nicht absolut sicher wäre?”

Geld … Geld! Wenn es nur das gewesen wäre! Münzen aus Silber und Gold, denen kann ich widerstehen. Es waren die verdammten Rubine. Dick wie Skarabäen, das Rot so tief wie Blut, der Schliff meisterlich, ihr Glanz …

Nein. Ich hätte Nein sagen sollen. Verdammte Rubine.

“Die Prophezeiungen der Seher von Niravanon stammen aus den Tagen kurz nach dem Weltenbrand. Niemand weiß, was sie wirklich bedeuten. Es sind nur Fragmente.” Natürlich hatte ich Informationen gesammelt, mich auf das Treffen vorbereitet. Aber Usmar hat mir zugezwinkert wie einem dummen Mädchen und allein dafür hätte ich ihn tatsächlich schlagen sollen.

“Ja, die Texte sind nur in Teilen zu finden. Aber sie sind zu finden, wenn man lange genug danach sucht. Du kennst den Spruch ‚Wissen ist Macht’? Nun, Geld ist auch Macht. Aber im Vergleich zu Wissen – speziell diesem Wissen – ist es flüchtig. Und ich bin an langfristigen Investitionen interessiert.”

“Ich ziehe das Geld vor.” Das hatte ich schon immer getan.

“Gut, dann sind wir uns einig.”

“Nicht ganz. Einen Alb quer durch Asarien schleppen? Während er noch lebt? Nein, soviel Geld könnt Ihr niemandem zahlen. Erst recht nicht mir.”

“Du musst ihn nicht zu mir bringen. Mein Gott, ich will ihn nicht! Er ist nur der Schlüssel.” Und mit diesen Worten hat mir dieser verdammte Dreckskerl ein Bündel Papiere hingeworfen und gegrinst. “Das hier sind die restlichen Anweisungen. Und glaube mir, meine Quellen sind zuverlässig. Du musst den Alb also nicht lange am Leben lassen. Nur lange genug, bis du das Artefakt hast. Das bringst du mir. Das solltest du schaffen.”

Ich hätte ihn töten sollen …

Marjella seufzte, ließ sich neben Vargas in die Hocke sinken und tastete nach dem Hals des Alb. Sie hasste es, wenn ein Auftrag schief ging und in diesem Fall war sie weder in der Lage Usmar sein Geld zurück zu geben, noch gewillt. Sie würde die Rubine nie wieder hergeben.

“Lebt noch”, brummte sie.

“Sagte ich doch.” Furgam grinste.

“Beim nächsten Mal passt du trotzdem besser auf. Und jetzt ab mit dir ins Wasser!”, schnappte Marjella.

Ihr alter Freund seufzte. “Ganz die Mutter. Soll ich dich mit dem hier alleine lassen?”

Marjella spuckte nach Furgam. “Verschwinde!”

Mit einem Lachen drehte er sich um und ging zum Fluss zurück.

Marjella sah ihm nach, kämpfte gegen die dumpfe Wut. Sie brauchte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte. Dann wandte sie sich wieder Vargas zu, betrachtete das Mal auf seinem Rücken, das zwischen den Fetzen seiner Kleidung hervorschaute. Sie konnte nicht anders und streckte die Hand danach aus, strich vorsichtig darüber.

Vargas fuhr herum und packte sie.

 

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