#5 | Ashuraya
Bevor Vargas sich auf die stöhnenden Menschen stürzen konnte, zog plötzlich in neuer Geruch durch die Gasse, schlimmer als alle zuvor. Es stank nach Verwesung, totem Fleisch. Vargas fuhr herum.
Hinter ihm stand ein weiterer Angreifer. Er war in einen weiten Mantel gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er stank erbärmlich und zielte mit einer Armbrust auf Vargas.
Der schüttelte nur den Kopf und konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken. “Deine Kumpels wollen mich lebend.” Er machte einen Schritt auf den Schützen zu.
Der Abzug der Armbrust klickte. Der Bolzen pfiff und bohrte sich mit deinem dumpfen Geräusch in Vargas’ Oberschenkel.
“Lebend”, murmelte der Scheißkerl und ließ die leere Armbrust sinken. “Niemand hat was von ‘unbeschadet’ gesagt.”
Vargas zischte. Schmerz und Zorn rangen in ihm um die Oberhand, beschlossen dann, sich zusammen zu tun. Vargas riss den Bolzen aus seinem Fleisch und griff an.
Der Schütze wich aus, schneller und geschickter als die anderen Menschen. Die Wolke aus Gestank, die er zurückließ, nahm Vargas den Atem. Er warf sich herum, schlug zu. Sein Gegner fing den Schlag ab, schob Vargas’ geballte Faust zur Seite und holte mit dem Ellbogen aus. Vargas drehte den Kopf zur Seite, steckte den Schmerz weg und zerrte seinen Gegner zu sich, zu seiner Klinge.
Der Mann wand sich aus Vargas’ Griff, packte dessen Handgelenk und drehte es geschickt, bis ein leises Knirschen erklang. Vargas’ Finger öffneten sich und das Messer glitt heraus. Er fing es mit der anderen Hand und wollte es seinem Gegner zwischen die Rippen rammen. Der löste sich aus dem Handgemenge, schlüpfte davon wie ein Aal.
Vargas starrte ihm hinterher.
Kein Mensch. Viel zu geschickt und zu schnell. Dem Geruch nach eine Ausgeburt der tiefsten Ebene der Unterwelt.
Der Augenblick der verstrich und die Gedanken, die sich plötzlich wieder klarer formten, löschten das Feuer des Zorns und ließen Vargas kalt zurück. Noch immer prasselte der Regen. Von Vargas stiegen kleine Dampfwolken auf, die vom eisigen Wind fortgeweht wurden.
“Scheiße”, murmelte er und schloss die Faust fester um den Griff seines Messers. Egal, mit was er es zu tun hatte, ob Mensch oder Dämon, er würde nicht klein beigegeben. Er hatte genug. Der Stinker war der Klinge ausgewichen. Das hieß er war verletzlich. Vargas bleckte die Zähne und sprang vor.
Seine Klinge teilte die Luft. Vargas’ Gegner riss den Arm hoch. Das Messer zerschnitt den Stoff des Mantels und prallte auf Metall, glitt ab. Vargas drehte sich, nutzte den Schwung, zielte auf das Bein. Der Mann wich wieder geschickt aus, stieß Vargas und der taumelte. Er fing sich und schlug zu, erwischte den Vermummten und riss an seinem Mantel. Der üble Geruch wurde schlimmer, fast betäubend. Nichts menschliches lag mehr darin. Vargas zerrte trotzdem weiter, um seinen Gegner zu Fall zu bringen.
Die Reaktion war unerwartet heftig, wie als wäre die Verkleidung wichtiger als der Kampf. Vargas zögerte und sah auf. Unter der Kapuze, zwischen Lumpen hindurch, die das Gesicht verhüllten, blickten ihm Augen entgegen, die ihn erstarren ließen – hell und klar, eisig blau.
Vargas sog scharf die Luft ein. Und da war er: gut verborgen unter den verschiedenen, Gerüchen der Menschen, mit denen sie ihn zu tarnen versuchten, lag der Gestank eines Elf.
Ein Knurren löste sich aus Vargas’ Kehle. Er drehte das Messer in seiner Hand ohne nachzudenken. Er würde …
Der Alb ging zu Boden und Marjella hob den Kopf.
“Danke, Furgam.”
Der ließ den ledernen Knüppel sinken. “Ein gewagtes Ablenkungsmanöver, Boss.”
Marjella schauderte und zog eilig ihre Kleider zurecht. “Los jetzt. Verpackt ihn. Wir müssen verschwinden.”
Die Erinnerungen an den abgrundtiefen Hass der ihr für einen kurzen Augenblick entgegengeschlagen war ließ sie schaudern. Sie musste Fairan at Darnen verlassen. Sie hätte nie dorthin gehen dürfen. Vielleicht fraßen Alben ja tatsächlich Menschen. Aber es gab nicht einmal Gerüchte darüber, was sie mit Elfen anstellten.