Weltenbau für Einsteiger

Ich denke ja, dass sich die Welt und das Setting einer Geschichte von selbst ergeben. Im Prozess des Schreibens stellt man als Autor fest, was man braucht und wie die Dinge geartet sein müssen, damit die Geschichte, die man im Kopf hat, funktioniert.
Man sollte sich aber auf jeden Fall eine grundlegende Frage stellen: ist das Setting Hintergrund oder Konfliktfeld?

 

Bühne frei

Das Setting, in dem Feuergabe spielt – Arahn – ist zum Beispiel eine typische Fantasy-Welt: von der Grundidee her das, was man sich allgemein hin als Mittelalter vorstellt, mit Magie und etwas gesellschaftlicher Moderne darüber gestreußelt, minus dem größten Dreck und Gestank. Womöglich glitzert es sogar ein wenig. An sich also ein vollständiges Klischee, komplett mit Weißer Stadt, dunklem Herrscher, Elfen, Zwergen und sogar einem Drachen.
Für einige Zeit habe ich mit dem Gedanken gespielt, dem Setting etwas mehr Eigenständigkeit zu verleihen, neue Völker zu benutzen, das Magie-System genauer zu durchleuchten.

Warum ich mich dagegen entschieden habe? Weil es für die Geschichte, die ich erzählen wollte, nicht notwendig war – Arahn ist Hintergrund. Die Hauptaufgabe des Settings ist in diesem Fall dem Leser eine möglichst schnelle Orientierung zu geben, einen Rahmen, in dem er der Handlung folgen kann.
Also blieb ich bei den bekannten Elementen: Elfen wandern durch den Wald, Zwerge grummeln unter dem Gebirge und von irgendwoher dreut die dunkle Bedrohung. Es haben sich nur ein paar kleine Anpassungen ergeben, die der Geschichte zuträglich sind: die Elfen sind ein gespaltenes Volk und bei den Zwerge herrschen sehr strenge Sitten und gesellschaftliche Normen. Diese Details sind für die Konflikte, mit denen meine Nebencharaktere konfrontiert sind, wichtig.

 

Wenn die Tapete krank macht

Die Welt der Naimaer ist an sich dass komplette Gegenteil, innerlich wie nach außen. Sie ist dunkel und fremdartig, entführt den Leser in eine unbekannte Umgebung und konfrontiert ihn mit komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen, durch die er erstmal hindurchfinden muss, um die Konflikte und ihre Lösungen verstehen zu können.
Als Autor bedeutet das, dass ich mir nicht nur Gedanken darum machen muss, wie alles funktioniert und logisch zusammenhängt – wie kann das Leben in einer unterirdischen Welt aussehen? Wie kann ein Matriarchat ent- und bestehen? Zusätzlich muss ich auch einen Weg finden, dieses ungewöhnliche Setting zu vermitteln, es dem Leser unauffälig aber umso näher zu bringe. Auf Erfahrungswerte kann ich in diesem Fall nicht unbedingt bauen. Zwar ist das Setting kein vollkommen unbeschriebenes Blatt, aber nicht jeder Leser kennt die Drow, an denen ich mich anfangs orientiert habe.
Aber eben dieses Vermitteln, das genaue Verständnis von Autor und Leser, ist in einem Fall wie Naimear unabdingbar, denn das Setting ist hier nicht nur Hintergrund, sondern vor allem Nährboden für praktisch alle Konflikte, die es zu lösen gilt: Azzits Erziehung und Beziehung zu Nuranayn; der Wandel, dem das Reich der Naimaer unterworfen ist, der es langsam zerstört und somit die Revolution begünstigt, sogar notwendig macht über alle idealistischen Begründungen hinweg.
Bei manchen Grundsatzfragen bin ich mir auch noch unschlüssig. Zum Beispiel, ob tatsächlich göttlicher Wille hinter allem steht, oder natürliche Ursachen, die so interpretiert werden. Was wiederum auf die Motivation meiner Charaktere einen entscheidenden Einfluss hat und auch auf das Verständnis des Lesers für sie.

 

Und auch wenn diese grundlegende Frage geklärt ist – Hintergrund oder Konfliktfeld? – kann es natürlich wieder einmal geschehen, dass die Geschichte einfach das tut, was für sie richtig ist. Bei Königskinder hatte ich ursprünglich auch geplant, Elfen auftreten zu lassen. Da sie aber in diesem Fall die Antagonisten sind und ich – woher auch immer! – ein ganz anderes Erscheinungsbild für sie im Kopf hatte, habe ich kurzerhand beschlossen, sie umzubenennen. Den Alfain folgten bald weitere Völker und am Ende hatte ich die Drain, die mich immer wieder aufs Neue faszinieren und die mit ihrem Wesen Auslöser und Lösung fast aller Konflikte zu sein scheinen.

2 Kommentare zu „Weltenbau für Einsteiger

  1. Immer dieser Fluff, der sich dann aufspielt und mehr Screentime will. ;D

    Ich denke, gerade wenn wir uns in High Fantasy-Welten bewegen, kann man sich ganz gezielt die Frage stellen, ob die Welt nur Beiwerk ist und es mehr um die Einzelschicksale der Figuren geht, oder ob die Welt selbst eine eigene Figur ist. Ja, ob sie auch ein eigener Antagonist sein kann.
    Persönlich mag ich es lieber, wenn Welten ihre eigenen Handlungsböden und Charakteristika haben und nicht nur Fluff sind. (Das ist jetzt keineswegs als Kritik an deinen Werken zu verstehen.) Aber ich schreibe auch gern „groß“. ;D

  2. Handlungsbögen …
    Verschiedene Meta-Ebenen, wie die angesprochene Frage, ob es Götter nun wirklich gibt oder alle nur dran glauben, die in verschiedenen Handlungsbögen aufgegriffen werden, sind aber auch nicht schlecht. 😀

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