Jeder hat eine, fast jeder liebt seine – Mütter. Nichts ist in unserem Leben und Alltag so präsent. Oder doch nicht? Wo sind eigentlich die Mütter, wenn es mal nicht darum geht ein Brot zu schmieren, jemanden zum Ballett zu fahren oder das Hemd fürs Vorstellungsgespräch zu bügeln? Wo sind die Mamas in Film, Fernsehen und Literatur und den Medien außerhalb von Werbung und Erziehungsforen?
Tina Skupin ist nicht nur selber Mutter, sondern auch Autorin und hat soeben mit „Die Supermamas“ ein Buch heraus gebracht, in dem es um Mütter geht, die eben genau das tun, was Mütter immer tun – die Welt retten. Wer also könnte mir meine Fragen besser beantworten, als sie?
Zuerst einmal: Wie bist du zum Schreiben gekommen?
>> Ich habe eigentlich immer geschrieben, und bevor ich schreiben konnte, habe ich mir Geschichten ausgedacht (eine Tradition, die meine vierjährige Tochter mittlerweile übernommen hat). Ernsthaft angefangen habe ich im November 2009. Das war das Jahr, in dem ich nach Schweden ausgewandert bin, und der November in Schweden ist abscheulich! Damals bin ich auf eine Seite gestoßen namens Nanowrimo, wo ein Haufen Verrückte in einem Monat ein Buch schreiben wollten. Ich war grad mit meiner Doktorarbeit fertig und hatte nichts zu tun außer langsam in Depressionen zu versinken. Also hab ich mitgemacht. Am Ende des Monats hatte ich ein halbes Buch und „Blut geleckt“. Danach hab ich nie mehr aufgehört zu schreiben.
Und dann: Wie hast du dir dein Leben und Arbeiten/Schreiben mit Kind immer vorgestellt?
>> Ich hatte eigentlich keine Vorstellungen. Ich hatte den Kopf dermaßen voll mit allen denkbaren Klischees, und irgendwie hab ich die nie mit meinem Leben in Einklang bringen können. Und dann kam es sowieso ganz anders.
Was war in dieser Hinsicht die größte Überraschung? Negativ wie positiv?
>> Positiv, wie einfach sich viele Sachen lösen lassen. Negativ: ich habe die Kindergartenviren unterschätzt. Ich dachte: „hach, da wird man halt mal krank“, dabei können einen die Dinger komplett hinschmeißen. Sollte ich einen zweiten Teil für die Supermamas schreiben, wird der „die Rache der Kindergartenviren“ heißen!
„Kindermund tut Wahrheit kund.“ Und liefert nicht selten wunderbare Inspiration, wenn die Kleinen uns erklären, wie sie die Welt sehen und verstehen. Hattest du auch schon mal einen solchen Moment?
>> Johanna hatte einen Zeitlang den Narwal-Ohrwurm (und jetzt habt ihr ihn auch alle wieder, ätsch), und war gleichzeitig verrückt nach Raketen und Weltraum. Irgendwann hat sie mir erzählt, ein Narwal könnte im Weltall schwimmen. Das war die Inspiration für mein Buch „Spacenarwals“.
Mir sagte man im Geburtsvorbereitungskurs: „Nirgends wird soviel gelogen wie in der Mütter-Lobby.“ Die kleinen Dramen des Alltags werden oft schöngeredet, die großen kehrt man lieber ganz unter den Tisch. Der gesellschaftliche Druck als Mutter „perfekt“ zu sein ist zumindest für mich spürbar. Geht es dir ähnlich? Und in wieweit kann Schreiben als Therapie betrachtet werden?
>> Mir ging es da genauso wie dir. Von überall kam dieser Druck, perfekt sein zu müssen. Und ich war nicht perfekt. Mein Körper hat sich verändert, und ich war süchtig nach Äpfeln, aber ansonsten hab ich mich genauso durch den Tag gehuddelt wie vorher. Und auch alle Frauen um mich rum haben das Gleiche gemacht. Da war keine perfekt.
Das Schreiben war da meine Rettung. Maira, die Heldin aus meinen Supermamas, hat einiges mit mir gemeinsam, aber eigentlich steckt ein Stück von mir in jeder der Supermamas. Was mir wichtig war: dass die Charaktere realistisch sind, auch unsympatische Dinge tun dürfen. Und dass die Mütter sich gegenseitig aufbauen. In so vielen Gruppen sehe ich, wie die Mütter sich gegenseitig niedermachen: Elternbett, und Attachment Parenting, und wenn du nicht alles richtig machst, kommt die La Leche Liga und tritt die Tür ein. Was soll das? Als Eltern haben wir doch genug Herausforderungen, wenn die Zähne kommen, oder Blähungen, da müssen wir uns doch gegenseitig unterstützen und nicht zerfleischen?
Film, Musik, Literatur, … Mütter tauchen eher selten auf oder spielen untergeordnete Rollen, wenn es nicht gerade um das Muttersein an sich geht. Genauso wie man als junge Mutter oft das Gefühl hat, ein wenig aus der Gesellschaft heraus zu fallen, wenn man sich ganz- oder auch halbtags um seine Kinder kümmert. Sind wir in den Medien unterrepäsentiert?
>> Ich würde sagen, wir sind gleichzeitig über- und unterrepräsentiert. Sehr viele Geschichten enthalten oder thematisieren Mütter, aber in Kinder- und Jugendbüchern dürfen die nur entweder sorgendes Muttertier spielen oder den Held von seinem Abenteuer abhalten wollen. Dreidimensionale Figuren, also echte Mütter, nein echte Menschen, finde ich so wenige! Was zeigen wir da unseren Kindern?
Und auch in Büchern, die sich an Mütter selbst richten, ist es kaum besser. In den besten Büchern ist es einfach eine komödienhafte Übertreibung, bei denen man gut mitlachen kann, aber bei den meisten ist es einfach nur neurotisch und zum Fremdschämen!
Wenn Mütter in Geschichten auftauschen – sei es als Protagonistin oder Nebenfigur – hast du den Eindruck sie bzw. wir werden richtig dargestellt? Oder sind es eher Stereotypen, die da unterwegs sind?
>> Stereotypen sind nicht notwendigerweise was Schlechtes. Der Actionheld ist ein Sterotyp, die weise Alte. Problematisch finde ich, dass die meisten Müttersterotypen negativ sind. Ganz selten hab ich das Gefühl: Das könnte ich sein! Oder „mit der möchte ich befreundet sein“ oder auch „was für ein interessanter Charakter!“ (Charaktere müssen ja nicht alle nett sein). Umso wichtiger finde ich es, die positiven Beispiele hervorzuheben. Ich finde es z.b. fabelhaft, dass Jessica Jones in den Comics mit Luke Cage verheiratet ist und die ein Kind haben. Zynische, fluchende Jessica darf ein Kind haben, und wird nicht dafür sofort von der Geschichte bestraft und gemaßregelt!
Von welchen Seiten wirst du in deiner Arbeit als Mutter und zugleich in deiner Karriere als Autorin unterstützt? Von welcher Seite könnte deiner Meinung nach mehr Hilfe und auch Anerkennung kommen?
>> An erster Stelle muss ich da meine Familie nennen. Meine Eltern haben mich immer ermuntert, mein Schreiben zu verfolgen. Mein Partner teilt mit mir die Hausarbeit und die Erziehung, und hat mir den Freiraum gegeben, mich ganz dem Schreiben widmen zu können. Und auch Johanna unterstützt mich jeden Tag mit grandiosen Geschichten von krokodilspeienden Vulkanen.
Mehr Hilfe… ich habe das Gefühl, dass der deutsche Buchmarkt sehr risikoscheu und konservativ ist. Mein Genre, die Urban Fantasy, gibt es kaum außerhalb von romatischen Vampirbüchern, und Innovatives finde ich mehr im Selfpublisherbereich. Natürlich weiß ich, dass Verlage sich auch finanziell rechnen müssen, aber die Lösung kann es auch nicht sein, immer nur auf Nummer sicher Bücher zu publizieren. Denn damit machen sie sich selbst nur irrelevant.
Du hast gerade ein Buch heraus gebracht, in denen Mütter die Hauptrolle spielen: „Die Supermamas“. Davor kamen deine Märchenadaption „Hollerbrunn“ und der Schwedenführer „EventuElche“ auf den Markt – alles im Selbstverlag. Das ist eine beachtliche Leistung und ringt so manch anderer schreibenden Mama Bewunderung ab. Hast du ein paar Tipps, wie man Alltag mit Kind und Autorenkarriere unter einen Hut bringt?
>> Mein Tipp, ganz allgemein, ob Autorin oder sonstiges wäre: schau, wo du hinwillst, was dein Ziel ist, welche Möglichkeiten du hast!
Ich wohne ja in Schweden, das heißt, ich kann nicht mal kurz auf eine Messe, oder ein Lesung, und das ist in Deutschland sehr wichtig. Dafür habe ich den besten Kindergarten in diesem Universum, in dem Johanna einfach nur supersicher ist und Spaß hat. (Ich könnte nicht so ruhig und produktiv arbeiten, wenn ich nicht hundertprozent wüsste, dass Johanna gut aufgehoben ist.) Und ich habe einen Partner, der Gleitzeit arbeiten kann, so dass da auch Sachen möglich sind.
Das sind meine individuellen Punkte. Deine werden andere sein. Schau, was sie sind, was möglich ist. Und sei nett zu dir! Du leistest wahnsinnig viel, und an manchen Tagen reicht es, aus dem Bett aufzustehen.
Und umgib dich mit guten Leuten! Ich finde, man merkt, ob jemand dir helfen will, dein Leben besser machen, oder ob er sich darüber mokieren will, wie inakzeptabel du bist. Reicht dir jemand seine Hand, um dir hochzuhelfen, oder blickt er auf dich herab?
Jetzt hab ich wohl zu viel philosophiert. Ok, ein konkreter Tipp: du brauchst einen Plan! Du brauchst eine Liste mit Punkten „ok, jetzt ist Kapitel x dran, dann Kurzgeschichte p, und Inhalt d noch teilen“ Wenn die Freizeit kommt, hast du keine Energie, jedes Mal erst mal zu überlegen, welcher Punkt jetzt als nächstes kommt.
Lesen ist für Kinder unheimlich wichtig. Geschichtenerzählen allgemein gehört mit zur Basis menschlicher Kultur. Wie kann man als schreibende Mutter/Eltern Kinder in die Arbeit an seinen Geschichten miteinbeziehen?
>> Ich lese meiner Tochter jeden Abend vor. Und wer denkt, das hätte nichts mit Autorendasein zu tun, hat keine Ahnung! Kinder sind das beste Publikum. Ein Kind lügt dich nicht an. Wenn deine Geschichte nicht gefällt, wird es dir das sagen. Deine Stimme, der Spannungsbogen- du musst das Buch lebendig werden lassen für ein Kind. Und – selbst Geschichten erfinden aus dem Stehgreif ist das beste Training, was man als Autor bekommen kann.
Meine Tochter ist mein großes Künstlervorbild! Als Erwachsene sind wir so besessen von Perfektion, von „beim ersten Mal richtig machen“. Und Kindern ist das sowas von egal. Johanna brauchte tausend Anläufe, um laufen zu lernen. Und sie hat diese tausend Anläufe durchgezogen, jeden Tag, über Wochen. Bis sie es konnte. Diese Zielstrebigkeit und gleichzeitig Kreativität lässt mich fast sprachlos zurück. Kinder sind eigentlich die perfekten Künstler. Johanna hat jetzt selbst angefangen, Geschichten zu erzählen, und verbindet Themen und Gestalten, die nicht zusammen passen können. Niemand hat dem Kind gesagt, dass das ja nicht geht, also hat es das einfach gemacht. Und dann passt es plötzlich doch. So geht Kunst!
Wenn du – so wie Maira, die Protagonistin aus „Supermamas“ – eine Superkraft haben könntest – welche wäre das?
Fliegen. Ich wollte immer fliegen können!
Tina Skupin
Tina Skupin, Jahrgang 1977, wuchs in Völklingen an der Saar auf. Nach einem Zwischenstopp in Halle an der Saale lebt sie mittlerweile mit Partner und Töchterchen in Stockholm. Schriftstellerisch treibt sie sich in allen Bereichen der Fantastik herum, von Steampunk bis Science Fiction. Ihr Herz schlägt vor allem für die klassische Urban Fantasy. Außerdem ist sie eine leidenschaftliche Bewohnerin des Internets und auf so ziemlich allen Kanälen zu finden. Ihr erstes Buch, EventuElche, erschien Mitte 2016. Darin beschreibt sie ihre Erfahrungen mit dem Auswandern nach Schweden.
Tina ist süchtig nach Legos und ein erklärtes Marvelgirl. Zu ihren Hobbys (für die nie genug Zeit bleiben) gehören mittelalterliches Schwertfechten (Langschwert) klettern (trotz Höhenangst) und lesen (natürlich).
https://tinaskupin.wordpress.com/
Die Supermamas – Windeln wechseln und Welt retten
So hat sich Maira das Leben als frischgebackene Mutter nicht vorgestellt: Windeln wechseln, Hausarbeit, immer neue Ausreden von ihrem Mann. Und Fliegen muss sie auch noch lernen. Ja, fliegen! Seit ihrer Entbindung kann Maira das nämlich. Nur mit dem Steuern und Landen hapert es noch, ganz abgesehen von kreuzenden Flugzeugen.
Glücklicherweise gibt es noch weitere Supermamas. Gemeinsam bewältigen sie die Hindernisse des Alltags, von Tragetuch binden bis Monster jagen. Doch können sie Maira bei ihrer zerbrechenden Ehe helfen? Und was hat es mit den verschwundenen Supermamas auf sich? Sind die wirklich nach Bielefeld gezogen?
Viel Action, Humor und ein Spritzer Romantik erwartet euch bei Tina Skupins neuestem Buch, das sich irgendwo zwischen Urban Fantasy und Slice of life einordnen lässt, und das die Autorin mal als „Ildiko von Kürthy meets X-Men“ bezeichnet hat. Die Geschichte um die Berlinerin Maira macht eine bisher sträflich vernachlässigte Gruppe zu Superhelden: Mütter!
Hallo Tina
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Buch liebe Grüße aus dem Saarland schickt dir Wibke