Elea Brandt – den Namen kennt ihr nicht? Nicht weiter schlimm. Aber merkt ihn euch am besten gleich mal. Ihr Debüt „Opfermond“ durfte ich sozusagen schon vorab lesen, als es noch in der Entstehungsphase war und war damals schon stark beeindruckt. Jetzt erscheint das Buch im Mantikore-Verlag und ich habe – nicht nur aus diesem Anlass – Elea ein paar Fragen gestellt, die mich sowohl als Leser, als auch als Autoren-Kollege brennend interessieren.
Das Übliche vorweg: Wie lange schreibst du schon und wie bist du dazu gekommen?
>> Die Frage muss ich total klischeehaft beantworten: solange ich mich zurückerinnern kann. Irgendwie waren immer schon Geschichten in mir, die hinauswollten. Die erste längere Story schrieb ich in der Grundschule, es ging um einen sprechenden Computer, der zugunsten eines neueren Modells verschrottet werden soll. Ansonsten zieht sich das Schreiben durch meine ganze Jugend, und an dem, was ich zu Papier gebracht habe, merkt man sehr gut, was ich gerade gelesen habe. Ich hatte eine Harry-Potter-Phase, eine Nebel-von-Avalon-Phase und eine Stephen-King-Phase. Wirklich professionell bin ich das Schreiben aber erst im Studium angegangen.
Warum ausgerechnet Fantasy?
>> Ich fürchte, ich fand die Realität immer schon ein bisschen langweilig. Die Fantasy dagegen bietet unendlichen Raum für Kreativität und eigene Ideen, für große Gefühle und epische Breite. Sie erlaubt es, das Menschenmögliche auszuhebeln und Extreme zu zeichnen. Trotzdem – oder gerade deswegen – sehe ich die Fantasy nicht als ferne Traumwelt, sondern eher als Experimentierkasten. Ich finde es spannend, an verschiedenen Schrauben zu drehen, mir zu überlegen, wie eine Welt unter bestimmten Bedingungen aussieht, wie die Menschen mit den Verhältnissen umgehen, was sie prägt, was sie antreibt. Außerdem bin ich ein Freund großer, epischer Konflikte und bringe meine Charaktere gerne an ihre Grenzen – auch in moralischer Hinsicht.
Opfermond spielt in einem Setting, dass an den Mittleren Osten angelehnt ist – Stichwort 1001 Nacht. Aber es ist nicht dein einziges Projekt mit diesem Hintergrund. Woher kommt diese Faszination?
>> Gute Frage. Ich denke, ich war des klassischen Europäischen-Mittelalter-Settings ein bisschen überdrüssig und wollte etwas Neues ausprobieren. Das antike Ägypten und die Hochkulturen des mittleren Ostens fand ich schon als Jugendliche spannend. Es ist unglaublich, welche architektonischen, technischen und sozialen Errungenschaften viele tausend Jahre vor Christus bereits existiert haben. Gleichzeitig bergen diese Kulturen aber auch eine morbide Archaik, die sich in den Bestattungsriten, den Opferzeremonien und der Götterverehrung ausdrückt. Aus diesen Elementen, auch inspiriert vom Pen-and-Paper-Rollenspiel, ist letztlich „Opfermond“ entstanden. Es repräsentiert, wenn man so will, die dunkle Seite des antiken Orients. Im Kontrast dazu spiegelt „Sand & Wind“ eher die märchenhaft-mystische Welt aus 1001 Nacht wieder.
Zur Zeit kommt immer wieder die Diskussion um Diversität in den Mainstream-Medien. Wie wichtig ist dir dieses Thema?
>> Diversität ist toll, sie bietet Vielfalt und schafft Raum für authentische Charaktere und spannende Konflikte. Ich finde es wichtig, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, auch wenn mir das selbst lange schwergefallen ist. Als weiße Hetero-Frau, die in der bayerischen Provinz wohnt, musste ich erst lernen, aus meiner Filterblase auszubrechen. Aber seit ich das tue, sind wirklich tolle Geschichten und Figuren entstanden. Mittlerweile nehmen Konflikte um kulturelle, sexuelle oder religiöse Identität großen Raum in meinen Werken ein, dadurch lassen sich auch ganz reale, irdische Probleme in der Fantastik thematisieren.
Mich hat in Opfermond die Gegenüberstellung von durchaus blumigen und farbenfrohen Beschreibungen des Settings zu den dunkleren und schmutzigeren Teilen der Stadt und der Gesellschaft fasziniert. Wie bringt man so etwas unter einen Hut?
>> Es freut mich sehr, dass du das sagst, gerade dieser Kontrast hat mir beim Schreiben großen Spaß gemacht. Interessanterweise habe ich festgestellt, dass die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich, in Schön und Hässlich, Hell und Dunkel in vielen meiner Geschichten eine zentrale Rolle spielt. In Deutschland bemerkt man diese Diskrepanzen nicht so deutlich, aber vor einigen Jahren habe ich für zwei Monate in der Karibik gelebt, wo die Extreme fast unmittelbar aneinanderstoßen: Riesige Hotelburgen und Millionärsvillen stehen dort Seite an Seite mit winzigen Wellblechhütten. Und dabei geht es den Menschen auf Barbados verglichen mit anderen Ländern der Welt noch ziemlich gut. Kurz gesagt, mich faszinieren diese Gegensätze – und ich liebe es, ihnen mit meinen Worten Ausdruck zu verleihen und sie in meinen Welten unmittelbar aufeinanderprallen zu lassen.
Opfermond wird als Grim&Gritty beschrieben – ein Subgenre des Fantasy, in dem es etwas härter und schmutziger zur Sache geht. Normalerweise würde man da nicht allzu viele weibliche Autoren vermuten, aber wir wissen, dass das ein Trugschluss ist. Bekommst du trotzdem überraschte oder auch negative Reaktionen in der Art von „Du bist doch eine Frau – wie kannst du so etwas schreiben?!“?
>> Oh ja, diese Reaktionen kenne ich, allerdings haben sie sich bislang noch nicht auf mein Geschlecht bezogen, eher generell auf die Frage, warum ich denn so was Brutales schreibe. Dazu habe ich mich schon mal in einem Blogbeitrag geäußert. Ich bin einfach ein Konfliktjunkie, ich mag graue Charaktere mit fragwürdigen Moralvorstellungen und stelle meine Figuren gerne vor gefährliche Herausforderungen und gedankliche Zwickmühlen. Insofern, ist „Opfermond“, ganz klischeehaft gedacht, kein typischer Frauenroman. Er ist dreckig, brutal und nicht sonderlich romantisch. Aber trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Leserinnen der Geschichte genauso viel abgewinnen können wie Leser. Im Übrigen bin ich die erste deutsche AutorIN im Verlagsprogramm von „Mantikore“ – darauf bin ich ein bisschen stolz. Ich halte nämlich gar nichts von Klischees.
Thema „etwas härter und schmutziger zur Sache gehen“: du sagst, dass dir Sexszenen zu schreiben sehr schwer fällt. Opfermond hat jetzt aber das Label 18+ bekommen. Welche Rolle spielen explizite Szenen für die Handlung und auch für die Atmosphäre?
>> Ganz ehrlich, Sex ist grauenvoll – zu schreiben. Gerade dann, wenn es darum geht, die richtige Balance zwischen expliziten Beschreibungen und Erotik zu finden. Nicht jede Sexszene ist schließlich automatisch erotisch. Wie explizit eine Szene sein darf – egal ob Sex oder Gewalt – hängt für mich immer maßgeblich vom Genre und von der Botschaft ab, die transportiert werden soll. Der Regisseur Ridley Scott hat neulich in einem Interview gesagt: „Die Regel lautet, dass Sie niemals eine Sexszene in einen Film schreiben dürfen, bloß weil Sie gern eine Sexszene drin hätten.“ Das trifft den Nagel ganz gut auf den Kopf. Die Sexszenen in Opfermond sind wenig romantisch, da geht es eher um Beziehungen, um Macht, um Gefälligkeiten. Das muss man auch in den Beschreibungen und Schilderungen spüren. Außerdem sind Varek und Idra, meine Protagonisten, nicht gerade Unschuldslämmchen, blumige Umschreibungen wären also fehl am Platz.
Ich persönlich würde ja gerne mehr von Varek, dem (Anti)Held aus Opfermond lesen, du hast dich aber schon anderen Projekten zugewandt. Eines ist schon auf der Zielgeraden, an anderen bist du fleißig dran. Auf welches freust du dich besonders?
>> Hm, schwierig, meine Vorlieben wechseln gefühlt von Woche zu Woche, aber leider bin ich ein ganz schlechter Multi-Tasker und versuche mich daher, auf ein Projekt zu konzentrieren. Im Moment sind das die „Flammenkinder“, der Auftakt zu einer Low-Fantasy-Young-Adult-Trilogie, auch in einem eher orientalisch-antiken Setting angesiedelt. Aber es würde mich auch sehr reizen, mal einen reinrassigen Thriller zu schreiben, ganz ohne Fantasy-Aspekte. Hach. So viel zu tun, so wenig Zeit.
Das Angebot zur Fan-Fiction steht übrigens noch. 😉
Gibt es einen bestimmten Schreibtipp, den du nie aus den Augen verlierst und gerne weitergeben würdest?
>> Puh, ich glaube, ich halte es mit Ray Bradbury: „You fail only if you stop writing“. Rückschläge und Stagnation gehören zum Schreiben dazu, aber nur, wer aufgibt, hat verloren. Ansonsten finde ich Austausch total wichtig. Mit Lesern, mit anderen Autoren, mit kreativen Menschen. Das gibt mir am meisten Auftrieb und Inspiration.
Elea Brandt
1989 im nebligen Passau geboren, kam sie als Kind zweier Germanisten schon früh mit phantastischer Literatur in Berührung. Als passionierte Rollenspielerin hat sie große Freude daran, fremde Welten zu entwickeln und ungewöhnlichen Charakteren Leben einzuhauchen. Während sie in ihrem wissenschaftlichen Brotjob über die Behandlung gefährlicher Straftäter schreibt, liegen ihre literarischen Interessen vor allem in den Bereichen Low Fantasy, Thriller und Mystery. Als Mia Neubert hat sie bereits einige Kurzgeschichten in diesen Genres veröffentlicht, „Opfermond“ ist ihr erster Roman.
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Opfermond
In der Stadt des Blutigen Gottes herrscht das Recht des Stärkeren. Als der Assassine Varek angeheuert wird, einen Mord aufzuklären, klingt das nach einer willkommenen Abwechslung von seinem verhassten Tagewerk. Doch die einzige Zeugin, das Freudenmädchen Idra, weiß mehr, als sie preisgeben will. Um an ihre Informationen zu gelangen, geht Varek ein Bündnis mit ihr ein, das ihn schmerzhaft an bessere Zeiten erinnert. Die Spur des goldenen Skarabäus führt ihn schließlich zu einem grausamen Kult, der mehr als nur ein Blutopfer verlangt …