Unter Kollegen – Autoreninterview mit Sylvia Rieß

Sylvia Rieß – das steht für ganz große Fantasy – fremde Welten, Magie, epische Schlachten, wahre Liebe und ganz viel Drama. Ihre Trilogie „Der Stern von Erui“ brachte sie als Taschenbuch und eBook in Eigenregie heraus, als sogenannter Selfpublisher. Und sie ist nicht alleine auf diesem Weg, der durch wachsende Angebote immer mehr Autoren offen steht und die ganze Branche langsam aber sicher verändert.

 


 

Ich stelle diese Frage gerne, weil ich weiß, dass jeder Autor dabei die Augen verdreht: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

>> Hehe. Und ich beantworte sie gern. Immer und immer wieder. Denn das Schreiben hat mich gefunden. Oder auch nicht gefunden. Es war halt einfach immer da. Ich konnte grade so einen Stift halten und alle Buchstaben des Alphabets, da ging es bei mir los mit den ersten Geschichten. Einhörner unter Zauberweiden, Eichhörnchenkinder, die Abenteuer erleben. … Was man im Grundschulalter halt so schreibt.

 

Warum gerade Fantasy?

>> Warum nicht? Ich meine, ja, ich weiß. Fantasy. Das von ‚echten‘ Autoren ungeliebte und ewig belächelte Kind. Ist doch nur ausgedacht. Die wollen ja gar nicht wirklich ne Message senden. Das ist ja keine große Kunst. – So hört man doch immer.

Dennoch, die liebsten Bücher meiner Kindheit waren Märchen und Fantasygeschichten. „Die Brüder Löwenherz“ zum Beispiel. „Mio, mein Mio“. „Ronja Räubertochter“. Wenn das nicht Fantasy ist – und zwar ganz große – dann weiß ich es nicht.

Mit 12 fielen mir dann „Die Nebel von Avalon“ in die Hand. Da war ich das erste Mal von einem Buch so richtig in Bann geschlagen. Ich meine … einfach nur WOW! (Wer es nicht kennt: Lest es!)

Und so zog es sich eigentlich auch weiter. Aufgrund seiner phantastischen Elemente war in der Oberstufe Goethes „Faust“ mein liebstes Buch, und es in der Abiturprüfung zu bekommen keine Strafe wie für die meisten. Fantasy ist einfach mein Genre. Irgendwo suche ich immer nach dem Funken Magie in dieser Welt. Der Funke, der unsere Herzen am Schlagen hält und unseren Verstand entzünden kann, über uns selbst hinauszuwachsen.

 

Fantasy ist immer noch eher eine Nische auf dem Buchmarkt. Große Verlage machen ihre Gewinne in anderen Genres. Als Fantasy-Autor hat man es entsprechend schwer, sein Werk bei ihnen unter zu bringen. Vor allem, wenn man es mit einer Reihe als Debüt versucht. Hast du es trotzdem gewagt, bei den Verlagen anzuklopfen, oder hast du von Anfang an gewusst, dass du deinen Stern selber verlegen willst?

>> Ich habe es versucht. Und ich habe natürlich das ganze Programm durch. Absagen, die eindeutig von Praktikanten kamen, deren Rechtschreibung noch schlimmer war, als meine Rohfassungen; ewiges Warten ohne Absagen oder auch Zusagen mit der Pistole auf der Brust. „Friss oder stirb“- Verträge, bei denen ich dann natürlich frech fragte, ob man da nicht noch was dran ändern könne. Da die Antwort immer wieder war: „Sie sind Erstautorin, Sie haben keinen Namen“, war meine Antwort immer: „Danke. Aber nein Danke.“

Lange habe ich mich gefragt, ob ich wirklich so ein ‚schwieriger Autor‘ bin. Heute bin ich ein bisschen klüger und erfahrener und weiß, es war gut, dass ich meine ganz eigenen Vorstellungen hatte und mein Werk nicht um jeden Preis in einem Verlag untergebracht habe.

 

Was sind deiner Meinung nach die größten Vorteile, die das Selfpublishing bietet?

>> Man kann machen, was man will! Jetzt ernsthaft.

Ich steh ja selbst so ziemlich auf nichts, was derzeit ‚in‘ ist. Weder im Bereich Cover, noch sonst irgendwie. Ich arbeite an diesem Werk, Erui, schon mein halbes Leben, und es ist einfach kein Buch, wo man hier noch eine Liebesgeschichte mehr und da noch eine Kampfszene weniger einbauen kann, nur weil das dem Lektor besser gefällt und er es dann für vermarktbarer hält.

Wer es gelesen hat, der kennt meine tiefe Philosophie, dass diese Welt sich viel zu sehr um Profit dreht und schon lang verlernt hat, das Wesentliche zu sehen.

Darum durfte es nie ein Buch werden, das im Mainstream schwimmt. – In einem Verlag undenkbar, denn von irgendwas müssen die ja auch leben.

Und ja, an dieser Stelle will ich den einen Verlag hervorheben, der vom Werk an sich angetan war und mir dann die Absage gab, weil es wirtschaftlich ein zu großes Risiko war. Ich konnte das so gut verstehen. Der Verlag war damals noch klein. Es musste sich rechnen, was er tat. Aber diese Emailkorrespondenz brachte damals den Ausschlag dafür, dass ich begriff, dass es gut genug war, es selbst zu versuchen. – Mit all den Freiheiten, die Selfpublishing mir bietet.

 

Lektorat, Korrektorat, Cover, Satz, Druck, Marketing – alles, was sonst ein Verlag übernimmt, muss ein Selfpublisher ganz alleine auf die Beine stellen. Wo waren die größten Hürden für dich? In was musstest du am meisten Zeit oder auch Geld investieren?

>> Die meiste Zeit: Korrektorat. Ganz eindeutig. Ich selbst beherrsche die deutsche Sprache sicher nur in gesprochener Form. 😉 (Ja, ich bin gebürtige Deutsche, aber mein Lehrer konnte mir den Sinn von Kommaregeln nie wirklich begreiflich machen.)

Also war es für mich auch schwer, zu überprüfen, ob ein Korrektor richtig und gut gearbeitet hat. Und so gab es schon 3 große Revisionen der Bücher, die auch nötig waren.

Das meiste Geld: Cover. Ja, ich weiß, meine Printcover sind nicht das, was bei den meisten Online-Lesern ankommt. Zu viel Ruß und Dreck. Zu wenig glitzernde Ballkleider. Aber: ICH LIEBE SIE. Ehrlich. Die Künstlerin hat sich selbst übertroffen. Und ich kann sicher sein, dass ich das Gesicht meiner Protagonistin nicht auf drei Dutzend anderen Covern mehr oder weniger gut gefotoshopt noch mal finde. Es sind handgezeichnete Unikate. So, wie ich es wollte. Und das war mir jeden Cent wert.

Dazu meine liebste Erfahrung von der Buchmesse: eine junge Frau stürmt an mir vorbei, ignoriert alles und jeden an unserem Stand, greift sich die Eruibücher der Reihe nach, streichelt die Buchcover und sagt: „Diiiie sind ja schön!!! Sowas produziert ja heute keiner mehr!!“ Da hätte ich heulen können.

 

Thema Marketing: Welche Kanäle nutzt du und was für Marketingmittel setzt du am liebsten ein?

>> Ach fürs Marketing hatte ich von Anfang an so viele Ideen. Auch wenn ich mich ein wenig schwer getan habe, das alles dann umzusetzen. Ich habe immer die Bücher in den Vordergrund stellen wollen und lange nicht begriffen, dass die Leser erstmal mich als Person viel interessanter finden.

Mein persönlicher ‚Marketingdemon from hell‘ TM  – und mittlerweile eine meiner besten Freundinnen – hat mir da sehr oft den Kopf gewaschen.

Facebook und nach und nach auch Instagram nutze ich viel. Aber am liebsten (und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage) ist mir der persönliche Kontakt zu Lesern. Auf Messen, auf Lesungen. Das könnte ich viel öfter machen. – Wenn meine Zeit das nur erlauben würde. …

 

Online-Händler – vor allem solche mit Quasi-Monopolstellung – wurden schon oft als Untergang des Buchhandels angeprangert. Ihr Erfolg ist aber unbestritten. Und mit den Möglichkeiten, die sie Selfpublishern bieten, krempeln sie jetzt einmal mehr den Markt um. Manche sagen, dass das zu Kosten der literarischen Qualität geht, da nicht jeder Autor sich Lektorat und Korrektorat leisten will. Siehst du das auch so, oder denkst du, dass Qualität sich auf Dauer durchsetzen wird?

>> Ich habe schon viel Schrott aus Verlagsquellen gelesen, nur weil es sich verkauft. Hand aufs Herz und mal ganz ehrlich: Die literarisch hohe Qualität ist oft nicht das, was den Verlagen und Buchhändlern die Gewinne einfährt. Das ist im SP nicht anders.

Ein Autorenkollege sagte neulich, er hätte nie gedacht, dass mal Erotik ihm seine Brötchen verdienen würde. Tut es aber. Und wie bei den Verlagen zahlen auch bei den SPlern die gut laufenden Titel die qualitativ hochwertigen, die vielleicht eher in eine Nische gehören.

Nur manchmal hat man das Glück, dass beides zusammenkommt.

 

Nicht nur Qualität ist da ein Streitpunkt, sonder auch Plagiate. Im digitalen Zeitalter ist mit ein paar Knopfdrucken schnell mal ein Buch herausgebracht, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Immer wieder werden neue Fälle bekannt. Der wirtschaftliceh Schaden für die tatsächlichen Autoren ist ernst zu nehmen. Wie kann man sich als Autor schützen, oder siehst du da auch die Anbieter und Plattformen in der Pflicht?

>> Ein Plagiat ist ja ganz klar ein NoGo. Also eine Geschichte als eigene verkaufen, die nicht die eigene ist.

Es gibt immer wieder Skandale darum, wenn mal wieder rauskommt, dass jemand irgendwelche alte Groschenromane umschreibt, ihnen ein neues Glitzercover verpasst und sie dann im New Adult Bereich verkauft.

Aber die Linie ist ab einem gewissen Punkt schwierig zu ziehen. Denn klar, jeder Autor nimmt seine Inspiration irgendwoher. Wer glaubt, Shakespeare habe sich Romeo und Julia selbst ausgedacht, der hat nie Pyramos und Thisbe gelesen. Ist „Der eiserne Turm“ ein Plagiat, weil er sich sehr stark am Herr der Ringe orientiert? Der Autor gibt sogar zu, dass er das getan hat, weil er noch einmal eine Geschichte wie Mittelerde erleben wollte.

Die Plattformen kann man da aber nicht in die Pflicht nehmen. Die prüfen den Inhalt auf Jugendschutz und ansonsten ist jeder für seine Werke selbst verantwortlich.

 

Eines der großen Probleme des Selfpublishing ist der rechtliche Bereich. Veröffentlicht man bei einem Verlag ist es dessen Aufgabe sich gegen Raubkopierer von eBooks zur Wehr zu setzen. Dein Stern taucht immer wieder auf entsprechenden Plattformen auf und du musst immer wieder dagegen vorgehen. Gäbe es Lösungen? Wie könnten die aussehen?

>> Raubkopien … ja, schwieriges Thema. Es gibt sie. Es ist lästig und man denkt sich: Hey, macht ihr euch eigentlich Gedanken, dass ich da Zeit rein investiert habe? Viel Zeit? Und Geld?

Andererseits: Wer ein Buch als Raubkopie liest, hätte er es auch gekauft? Also ist das wirklich Leserschaft, die einem ‚verloren‘ geht?

Wenn jemand im Laden ein Buch kauft und begeistert ist und es an seine 27 Freunde ausleiht, geht mir als Autor dann Geld verloren? Manche gehen ja anschließend hin und wollen es auch im Regal stehen haben. Klar ist es illegal und widerrechtlich. Gerade wenn die Piratenportale auch noch selbst 10 Cent pro Buch für ihre ‚Mühen‘ nehmen. Das ist einfach nur kackdreist.

Da könnten die Verkaufsportale dann auch wirklich was tun. Dieser ‚DirektKaufen‘-Button bei Amazon ist ne schlimme Sache. Und deswegen gibt es ja auch diese sehr kulante Rückgabe-Politik. Das reicht aber locker, um in aller Ruhe ein Werk zu kopieren und in ein anderes Format zu bringen.

Aber naja. Da wird sich im Allgemeinen noch viel tun müssen. Vielleicht dann, wenn Internet kein Neuland mehr ist und die ‚Digital Natives‘ das Szepter in die Hand nehmen.

 

Du schreibst fleißig weiter. Vor kurzem erschien „Der Axolotelkönig“, ebenfalls in Eigenregie, aber in Zusammenarbeit mit anderen Autoren und Autorinnen. Willst du als Selfpublisher weiter machen, oder würdest du einem Verlag eine Chance geben?

>> Ach klar. Ich sehe ja mittlerweile, dass es solche und solche gibt. Und es existieren definitiv Verlage, mit denen ich zusammenarbeiten würde. Im Moment liebe ich die kreative Eigenregie, die ich habe, und dadurch bin ich eben auch niemandem verpflichtet, was ich mir bei meinem Job gar nicht leisten könnte.

Aber um mal vorzugreifen. 2018 werde ich zum sogenannten ‚Hybridautor‘ werden. Mit was und wo ist allerdings noch streng geheim. 😉

 

Was war bisher deine bereicherndste Erfahrung, bei der du dir dachtest: „Dafür hat sich das alles gelohnt!“?

>> Sabrina. Ohne den Stern hätte ich sie nicht kennengelernt und auch wenn wir nicht immer Zeit finden, auch mal privat zu quatschen, sie ist eine Freundin, die ich heute nicht mehr missen möchte.

Und neben ihr auch all die anderen Menschen, die ich ohne die Bücher niemals kennengelernt hätte. Autoren-Freunde, die ich besuchen fahren kann, oder auch Leser, die mir dann auf der Messe schon mal stürmisch um den Hals fallen.

Ich wollte mit Erui immer Menschen erreichen, Herzen berühren, und allein dass das tatsächlich so gekommen ist, ist ein wundervolles Gefühl.

 


 

Sylvia Rieß

Ich wurde 1985 in Wetzlar in Hessen geboren. Schon als Kind war mir klar, dass ich gerne große Geschichten erzählen wollte. Bereits im Grundschulalter begann ich zu schreiben. 2005 machte ich schließlich mein Abitur an der Marienschule in Limburg. Die Grundidee zu meiner Romanreihe “Der Stern von Erui” gab es damals schon. 2011 wurde mein bester Freund und ärgster Kritiker mein Mann. Zusammen mit ihm, unseren Katzen Tom und Fee und unseren Pferden lebe und arbeite ich heute einmal mehr an den Ufern der Lahn. Pferde und Kleintiere bestimmen meinen Arbeitsalltag als Tierärztin, doch die Schreiberei hat mich nie losgelassen und in der Walpurgisnacht 2015 ging mein Stern mit seinem ersten Teil ‘Heimkehr’ online. ‘Schattenkriege’ folgte noch im selben Jahr und auch der letzte Teil ‘Sternenstaub’ hat ein Jahr später schließlich das Licht der Welt erblickt.

http://eruiwp.layeredmind.de/

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