#18 | Bestien
Vargas packte den Griff des Messers und wirbelte herum, schlitzte einem Ork, der sich hatte heranschleichen wollen, den Hals auf.
Marjella hatte eine zweite Klinge gezogen und stürzte sich auf den nächsten Angreifer. Vargas folgte ihr, hielt ihr den Rücken frei. Die Orks brüllten, manche zornig, andere voller Vergnügen. Sie drängten sich enger um ihre beiden Opfer, jeder wollte zuschlagen. Wie Regen prasselten die Hiebe auf Vargas und Marjella ein. Sie kamen in immer neuen Schauern, gönnten den beiden ab und an eine Pause, um etwas Atem und Hoffnung zu schöpfen. Nur, um dann mit neuer Gewalt wieder einzusetzen.
Marjella und Vargas kämpften sich zu Marjellas gefallenem Pferd durch. Die Halbelfe packte den Griff ihres Schwertes und riss es unter dem Kadaver hervor, gerade rechtzeitig, um einen Ork von seiner Hand und der Keule darin zu trennen, mit der er auf Marjellas Kopf gezielt hatte. Sie drehte sich und war wieder bei Vargas, drückte ihm das zweite Messer in die freie Hand. Er nutzte es sofort, stach einen weiteren Gegner ab, trat einen zweiten und verschaffte sich etwas mehr Raum, der sofort von neuen Gegnern besetzt wurde. Die Orks stiegen achtlos über ihre toten Artgenossen, drangen mit markerschütterndem Geschrei auf Vargas und Marjella ein.
Die beiden Elfenwesen standen nun Rücken an Rücken und erwehrten sich ihrer Haut. Sie waren schneller und viel geschickter als die Orks, deren Übermacht sie aber langsam erdrückte. Sie beide waren von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt, ihre Augen leuchteten.
Vargas spürte Marjella bei sich. Immer wieder berührten sich ihre Arme und Beine. Sie machten einander Platz, fingen Schläge ab, die für den anderen gedacht waren, sie umkreiste einander, kamen sich nie in die Quere. Es war ein Tanz zum Rhythmus der Klingen, untermalt von Schreien. Er folgte nur einer Regel: Überleben. Vargas und Marjella kämpften und töten gemeinsam und füreinander, verbunden durch uralten Zauber.
Vargas spürte es deutlich. Marjellas Berührungen, die ihn außer Gefecht gesetzt hatten, hatten Spuren in ihm hinterlassen. Gleißend hell, silbrig leuchtend zogen sie sich durch seinen Geist, störten Verborgenes auf, Verdrängtes, Verhasstes.
Knurrend wollte Vargas das Gefühl abschütteln. Es war fremd und ungewohnt, weckte alte Schatten, die er seit Jahren mit Alkohol zu ertränken versuchte. Erfolglos.
Er wollte es nicht. Um keinen Preis.
Während um ihn herum ein Schlachten tobte, stemmte Vargas sich innerlich gegen die zarte Verbindung der Elfenmagie, die den Todestanz ermöglichte. Er geriet ins Straucheln und Marjella mit ihm. Sie bemerkte, dass er unkonzentriert war, schaffte sich mit ein paar kräftigen Hieben die nächsten Orks vom Hals und zischte Vargas zu: “Reiß dich zusammen!“
Vargas antwortete heftig: “Sag mir nicht, was ich tun soll!“
“Willst du leben, oder nicht?“
“Nicht so!“ Vargas schlug brüllend nach einem Angreifer. “Raus aus meinem Kopf!“
Ein höhnisches Lachen erklang. Es kam tief aus Vargas Seele, aus der Dunkelheit. Wie ein rot leuchtender Stern, der vom Himmel herab stürzte, stieg der Prismar auf. Sein dämonisches Licht tauchte Vargas’ Gedanken in blutigen Schein. Es schlang sich um Marjellas Spuren, verschlang sie und breitete sich immer weiter aus.
Mein.
Vargas wollte antworten, aber der Zorn betäubt seinen Geist, nahm ihm die Sicht. In seine Ohren rauschte das Blut. Nichts ergab mehr einen Sinn.
Vargas schrie auf.
Der Prismar kreischte.
Die Orks hielten inne und starrten ihn an. Vargas sah sie durch einen Schleier hindurch. Blut rann ihm in die Augen, machte ihn blind vor Zorn. Er fühlte sich verraten, verlassen. Es schmerzt und Vargas schrie die Qual hinaus bis seine Kehle brannte. Und mit jedem Augenblick, den er sich wand und um Besinnung rang, wurde der Prismar stärker. Er hatte sich bereits zu tief mit Vargas verbunden, dessen widerspenstige, hasserfüllte Natur ihm einen optimalen Nährboden bereitet hatte.
Mein.
Der Prismar griff mit langen Klauen nach seinem Opfer, schlug sie in seine Seele und zerrte daran. Vargas’ Widerstand wurde zerfetzt, sein Geist zurückgerissen. Er verlor den Halt und versank in einem Meer aus blutrotem Nebel.