Dialoge gehören für mich mit zu den schwersten Aufgaben. Meist habe ich eine ziemlich klare Vorstellung davon, was meine Figuren einander sagen wollen und sollten. Nur fehlt mir der Platz dafür und somit bleibt einiges unausgesprochen. Die nächste Hürde ist der logische Ablauf eines Gesprächs, denn im Idealfall sollten die Antworten zu den Fragen passen, die gestellt wurden. Oft passiert es mir, dass ich munter vor mich hin schreibe, mit einem klaren Ziel vor Augen, und plötzlich fällt einem meiner Protagonisten etwas ein, was er sofort los werden muss. Und dann stehe ich da und weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.
Können die nicht mal still sein?
Ich habe eine Zeit lang versucht mich darauf hinaus zu reden, dass Gespräche in der Realität auch nicht viel anders verlaufen. Dauernd gibt es Zwischenrufe und die richtige Retourkutsche fällt einem auch erst später ein. Und wie es Terry Pratchett mal so schön gesagt hat: in einem Gespräch nutzen wir die Zeit, in der jemand anderes spricht, nicht dazu zuzuhören, sondern um unsere Antwort vorzubereiten. Besonders deutlich wird das bei Menschen, die sehr stark an ihre sprachlichen Fähigkeiten glauben. Autoren zum Beispiel.
Aber diese Überlegungen lösen das Problem schlicht und ergreifend deshalb schon nichts, weil ich nicht die Realität schreibe, sondern Romane. Romane sollten zwar realistisch sein, aber vor allem auch logisch. Sie sind ein Konstrukt, das nach gewissen Regeln erschaffen wird, die darauf abzielen, dass ein Leser die Ideen des Autors nachvollziehen und verstehen kann. Nach Möglichkeit während er gleichzeitig unterhalten wird. Das Schreiben eines Dialoges ist also etwas ganz anderes als eine Unterhaltung zu führen. Und das ist auch gut so. Denn mal ganz ehrlich: wieviel weiß man nach einem Gespräch tatsächlich noch von dem was der andere oder auch man selbst gesagt hat? Da haben sogar Rede-Experten wie Politiker die größten Probleme.
Der Ton macht die Musik
Also wie schaffe ich es, einen sauberen, stringenten und nachvollziehbaren Dialog zu schreiben? Ich muss gestehen, dass ich damit nach wie vor Schwierigkeiten habe. Es hilft aber, wenn man sich Notizen dazu macht, wo man beginnt, und wohin man gelangen will. Also welche Informationen die beteiligten Figuren vorher haben, und welche danach, und wie sie jeweils emotional aufgestellt sind. Denn ein Dialog dient nicht nur der reinen Informationsübermittlung, sondern hat auch immer Einfluss auf den Charakter als ganzen. Vor allem wenn es sich um ein Streitgespräch oder etwas ähnliches handelt. Hierbei ist es sinnvoll, sich stets bewusst zu sein, dass jedes Gespräch auf verschiedenen Ebenen wirkt und es zumindest im zwischenmenschlichen Bereich kaum möglich ist, reine Sachinformationen zu übermitteln. Jede Wortwahl und jeder Tonfall trägt Bedeutung und vermittelt Information.
Zuviel des Guten
Ein weiterer Aspekt, den zu beachten ich mich immer wieder zwingen muss, ist, dass nicht alles sofort oder gar überhaupt gesagt werden muss. Manche Informationen können auch zu einem späteren Zeitpunkt eingebaut werden. Wichtig ist dann nur, dass man tatsächlich auch den Platz und die passende Gelegenheit dafür findet und sie nicht vollständig vergisst.
Ich selbst neige auch dazu, meine Figuren mehr von sich preisgeben zu lassen, als notwendig und sinnvoll wäre. Manche Dinge sollten sie besser für sich behalten und dann ist es an mir als Autor ihnen im richtigen Moment den Mund zu verbieten. Das tut nicht nur ihrem Ego weh, sondern auch meinem, immerhin habe ich sie erschaffen und möchte mein Werk gerne präsentieren. Aber hier muss die Eitelkeit des Künstlers hinter dem Verständnis und dem Erlebnis des Lesers zurückstehen.
KISS
Als letzter Hinweis noch einmal die grundlegende Regel lieber knapp und dafür präzise zu bleiben. Ausgefeilte Formulierungen haben zwar ihren Reiz, schlaue Sprüche ebenso und ein langes und breites Philosophieren kann seinen Zweck erfüllen, vor allem, wenn man eine wichtige Information darin verbergen will, die der Leser zwar haben, der er sich aber nicht unbedingt bewusst sein sollte. Insofern tut es dem Text immer gut, zumindest mal probeweise einige Sätze zu streichen und zu sehen, ob er trotzdem funktioniert.
Ich habe festgestellt dass mit einer Vorher-Nachher-Planung und mit etwas Zurückhaltung von Seiten des Autors gerade Dialoge wesentlich einfacher von der Hand gehen und im Endergebnis auch wesentlich besser funktionieren.
Ja, die liebe Planung. Dabei ist das doch genau die Krux: Wenn man nicht unbedingt weiß, wohin man will, wenn man die Fakten erst im Verlaufe des Gesprächs schafft. Das ist zwar anstrengend, und nicht immer zu empfehlen, macht gelegentlich aber auch Freude. Im NaNoWriMo 2015 hat sich ein Protagonist als bisexuell heraus gestellt, weil ein Gespräch zwischen ihm und einem ehemaligem Geschäftspartner sich spontan so entwickelt hat. Allerdings aber auch eher zwischen den Zeilen anhand dessen wie die Charaktere miteinander umgegangen sind.
Ohnehin habe ich es persönlich auch sehr gern, wenn so einiges ungesagt im Raum hängen bleibt. Da guckt man vll. stumpf vor sich hin, gibt ein Statement ab, der andere reagiert auch nur mit einem Schnaufen und dann greift man als Autor ein und lässt den treibenden Part eine Frage stellen, die die Geschichte voran bringt. (Gut, ich habe auch einen Hang zu Figuren, die lamentieren und kritteln bevor sie zur eigentlichen Sache kommen.) So eine Art Smalltalk als Gesprächseinstieg.
Im Nachhinein gehe ich selten mit der großen Schere an meine Dialoge heran. Große Umstrukturierungen habe ich das letzte Mal in einer Kurzgeschichte gemacht, um sie auf Zeichenlimit zu bringen. War leider im Nachhinein nicht mehr so schön, weil es dann doch alles ein bisschen gewollt wirkte. (Vll. hatte auch nur ich den Eindruck, weil ich ja weiß, was ich an der Stelle umgearbeitet habe.) Da schreibe ich den Dialog lieber nochmal neu — was ich auch mache, wenn ich im Dialog merke, dass er mir gerade aus den Händen driftet und absurd wird. Da gehe ich dann entsprechend zurück und mache einen harten Schnitt am Anfang vom Ende, sozusagen.
Besonders schwierig sind auch so Infodump-Sachen, die man gerne in den aktiven Dialog schummeln möchte, um blöde Zwischenerklärungen oder Rückblenden zu vermeiden. Leider habe ich den Dreh bei mir selbst noch nicht raus. Nur bei Fernsehserien habe ich gelegentlich schon ganz gut den Dreh raus, wann eine Aussage eher eine Erklärung für den Zuschauer war.
Ja das mit der Schere kann auch schonmal ins Auge gehen wenn man nicht genau aufpasst. Mir ist es auch schon passiert, dass ich es meiner Meinung nach geschafft hatte „sauber“ zu kürzen und meine Leser nacher meinten „da fehlt aber was!“ – Autsch …