Gold schimmerte. Silber glitzerte. Edelsteine, dazwischengestreut wie Blumen auf einer Wiese, funkelten. Die Luft war dick und schwer von dem satten Glanz der Reichtümer. Der Drache atmete sie träge ein. Seine Augen waren geöffnet, doch ihr Feuer war schon vor langer Zeit erloschen. Trübe und stumpf blickten sie ins Leere. Das uralte Wesen brauchte sie auch nicht. Es hörte noch sehr gut. Und nun drang das Knirschen und Klirren von Schritten, die über die Haufen aus Gold und Silber zu ihm herüber kamen, an sein Ohr. Der Drache schnüffelte und sog den Geruch, der seine Höhle zum ersten mal seit vielen Jahrhunderten mit etwas anderem als dem Duft von edlen Metallen und Mineralien erfüllte, tief ein.
„Du kommst reichlich spät“, brummte er und seine tiefe Stimme ließ die Schätze zittern und klirren.
„Entschuldige, alter Freund“, war die Antwort. Der Besucher blieb knapp vor der riesenhaften Schnauze des Drachens stehen.
„Dein Teil des Schatzes ist noch immer hier“, grollte der müde. „Ich habe ihn nicht aus den Augen gelassen. Bis sie mich vor fünfhundert Jahren im Stich ließen. Und auch danach habe ich jede Stunde darauf Acht gegeben.“ Ein mächtiges Seufzen drang aus seiner Brust. „Aber es hat sich nie geregt. Du hast es mir zu spät überlassen.“
Trauer schwang in diesen Worten mit und ließ sogar das Gold erblassen.
Der Besucher aber sagte sanft: „Gräme dich nicht. Ich hatte nicht erwartet, dass es noch zu deiner Zeit geschehen würde.“
„Ich weiß“, murmelte der Drache und seine Stimme wurde müder und müder. „Aber ich hatte gehofft.“
„Für dein Volk gibt es schon lange keine Hoffnung mehr.“
Dicke Tränen kullerten nun aus den blinden Augen des Drachens und mit viel Mühe rollte er sich enger zusammen. „Du hast wohl Recht“, flüsterte er und die Höhle hallte schaurig davon wieder.
Für einige Momente herrschte Stille, nur vom rasselnden Schnaufen des Drachens erfüllt. Er sammelte noch einmal Kraft und frage dann: „Wirst du es jetzt wieder mit dir nehmen?“
Der Besucher schüttelte den Kopf. „Nein. Jemand anderes wird kommen, um es zu holen. Die Menschen sind schon lange auf der Suche danach.“
Ärgerliches Grollen drang aus der geschuppten Kehle. „So sollte es nicht sein. Lass es nicht geschehen.“
„Doch. So soll es sein. So will ich es.“
Der Drache schnaubte wieder. Seine Glieder waren zu schwer um diesen Störenfried zu greifen und in der Luft zu zerreißen, sonst hätte er es getan. Selbst wenn er wusste, dass es nichts genutzt hätte.
Er war müde. So unendlich müde. Schlafen. Ja, das wäre jetzt angenehm, dachte er sich. Er schloss die Augen und brummte ein letztes Mal.
„Ruhe dich aus“, schlug sein Besucher vor. „Du hast es dir verdient. Ich werde mich wieder um meine Pläne kümmern.“
Der Drache brummte etwas, aber sein Besucher hörte ihm schon nicht mehr zu. Er hatte sich umgewandt und die Höhle verlassen. Der alte Drache blieb zum Sterben alleine zurück. Mit einem Seufzen ließ er die Luft zwischen seinen langen Zähnen hinauszischen.
„Du und deine Pläne“, murmelte er mit leiser, ersterbender Stimme. „Irgendwann wirst auch du lernen, dass nicht immer alles nach Plan geht. Irgendwann …“
Die Stimme verstummte. Der Atem versagte. Das gewaltige Herz schlug ein letztes mal und schwieg den ebenfalls.
Der Drache starb.
Und das Gold glänzte.
Das Silber funkelte.
Sie würden nie sterben.